Experteninterview mit Uwe Selbmann

Uwe Selbmann ist unser Experte zum Thema Standortwahl!

 

Wir sprachen am 22.08.2011 mit Uwe Selbmann, Geschäftsführender Gesellschafter von ClientSolutions, darüber, welche Faktoren derzeit und in Zukunft die Standortwahl für Callcenter beeinflussen.

CCV: Standortveränderungen – wieso, weshalb, warum? Ein Bäumchen-Wechsel-Dich & Stell-Dich-ein der Branche?

Uwe Selbmann: Der Kostendruck in der Branche ist nach wie vor hoch. Daher landen Standorte immer wieder auf dem „Prüfstand“. Allerdings fallen neben den Kosten auch Qualitätskriterien bei der Entscheidung wieder stärker ins Gewicht. Dies zeigt sich zum Beispiel am „Backshoring“, das man zur Zeit bei einigen Unternehmen beobachten kann, dem Zurückholen von zuvor ins Ausland verlagerten Organisationseinheiten.

CCV: Vergütung/Personalkosten, Kundennähe, Subventionen – was sind die treibenden Faktoren bei der Auswahl eines Standortes?

Uwe Selbmann: Die beiden treibenden Faktoren sind meist die Personalkosten und die Verfügbarkeit geeigneter Kandidaten, die entsprechende Skills (Sprachskills, fachlich/technische Skills), Bildung und Motivation zur Arbeit im Call Center mitbringen. Subventionen werden gern mitgenommen, gehören bei der  Standortwahl in der Regel aber nicht zu den entscheidenden Kriterien. Oft geht es auch um Faktoren wie Arbeitsflexibilität, Verfügbarkeit, Qualität und Preisstruktur von Immobilien, geographische Lage und Erreichbarkeit von Standorten.

CCV: Großstadt versus „flaches“ Land – wo findet sich Ihrer Meinung nach schneller geeignetes Personal für einen potentiellen neuen Standort?

Uwe Selbmann: Meist sind die Kostenunterschiede von der Großstadt zum flachen Land erheblich, oft die Arbeitslosenquote auf dem Land deutlich höher.

Zu den Vorteilen auf dem Land gehören der größere Pool an Jobsuchenden, das geringere Fluktuationsrisiko und das geringere Lohnniveau im Vergleich zur Stadt. Dagegen spricht eindeutig die mangelnde Verfügbarkeit qualifizierter Sprachskills in den ländlichen Gebieten. Hier findet sich meist zu wenig ausreichende Qualität in der benötigten Menge. In der Großstadt dagegen ist das allgemeine Bildungsniveau meist höher, es lassen sich leichter Profile mit entsprechendem Erfahrungshintergrund rekrutieren, es besteht ein Zugang zu Universitäten und damit zu flexibel einsetzbaren Studenten. Außerdem ist in der Stadt die Verfügbarkeit von Fremdsprachen im Allgemeinen besser als auf dem Land.

CCV: Ist die Nachbarschaft zu anderen bereits in der Umgebung angesiedelten Unternehmen der Branche eher ein Pro oder ein Contra für einen neuen Standort?

Uwe Selbmann: Die Nachbarschaft zu in der Nähe angesiedelten Unternehmen birgt Chancen und Risiken. Einige Unternehmen siedeln sich gezielt in der Nachbarschaft von Wettbewerbern an, mit dem Ziel bereits qualifizierte und erfahrene Agenten abzuwerben. Dies gelingt natürlich nur, wenn entsprechende Lohnzuschläge angeboten werden. Oft setzt sich so eine Preisspirale in Gang, die Agenten werden immer knapper, der Wechsel ist für sie attraktiv und einfach. Bald ist so ein Standort dann aus Kostensicht nicht mehr attraktiv.
Gibt es keine vergleichbaren Unternehmen in der Nähe, so ist von einem höheren Einarbeitungsaufwand auszugehen. Lohnniveau und Fluktuation sind dann jedoch oft deutlich geringer.

CCV: Zentralisierung oder Dezentralisierung? Machen eher möglichst viele spezialisierte Standorte eines Unternehmens für Sie Sinn oder wenige große schlagkräftige Niederlassungen?

Uwe Selbmann: Auch hier gibt es keine allgemeingültige Antwort. Generell ermöglicht Zentralisierung die Ausnutzung von Größenvorteilen. Die Produktivität lässt sich so steigern. Diese Möglichkeiten sind jedoch begrenzt, wenn es um eine Vielzahl unterschiedlicher Services geht, die spezialisierte Skill-Profile erfordern. Insbesondere gilt dies auch für multi-linguale Call Center. Hier sollte man sich genau fragen, ob an einer zentralen Location alle Sprachen in der gewünschten Qualität abgedeckt werden können. Mindestens genauso wichtig ist hier das „Cultural Mindset“, also ein tiefes Verständnis der Agenten für die Kultur, Erwartungen und Verhaltensweisen der verschiedenen Nationalitäten. Entsprechende Sprachprüfungen beim Einstellungsverfahren und kontinuierliches Training, das eben genau auch die kulturellen Aspekte berücksichtig, sind hier unerlässlich, um eine zufriedenstellende Qualität zu erreichen. 

CCV: Sind Standorte im Ausland eine echte Alternative zu denen in Deutschland?

Uwe Selbmann: Der Grund, Standorte ins Ausland zu verlagern, hat in den meisten Fällen mit den günstigeren Kostenstrukturen zu tun. So bieten Nearshore Locations wie z.B. Tschechien, Bulgarien, Rumänien im Vergleich zu Deutschland noch sehr attraktive Lohnkosten. Jedoch entwickeln sich diese Länder auch schnell weiter, das (Über-)Angebot an qualifizierten Mitarbeitern nimmt durch die schnelle wirtschaftliche Entwicklung ab, wie zuvor geschehen in Ländern wie Rußland und Polen. In einigen Regionen dieser Länder sind gar keine Kostenvorteile mehr zu erzielen. Auch haben die Erfahrungen zahlreicher Unternehmen gezeigt, dass das Offshoring, bzw. Nearshoring mit Risiken behaftet ist. Nicht selten genügt die Qualität nicht den Anforderungen und Kundenzufriedenheitswerte gehen aufgrund unbefriedigender Serviceerlebnisse in den Keller.  Dies hat in den letzten Jahren einige Unternehmen dazu veranlasst, ihre Call Center zurück „nach Hause“ zu bringen. Jüngstes Beispiel ist die Santander Bank, die den Kundenservice für ihre britischen Kunden gerade von Indien zurück nach England holt. Das heißt nicht, dass Standorte im Ausland grundsätzlich nicht empfehlenswert sind. Nur muss man sich der Risiken bewusst sein und entsprechend vorbeugen. Ganz wichtig dabei ist die gut vorbereitete Standortauswahl, bei der neben den Kosten eine Reihe weiterer Entscheidungskriterien eine Rolle spielen müssen, eine  saubere Vorbereitung des Standortwechsels und die intensive Qualifizierung der Führungskräfte und Mitarbeiter am neuen Standort.  Außerdem muss das Management am Auslandsstandort kontinuierlich Vor-Ort Präsenz zeigen und sich nicht blind darauf verlassen, dass es schon irgendwie laufen wird.

Ihnen vielen Dank, Herr Selbmann, und die Bitte zur regen Diskussion an unsere Leser: Sehen Sie den aktuellen Trend auch im „Backshoring“? Sind zu erwartende Subventionen für Sie ein ausschlaggebender Faktor bei der Standortwahl? Haben Sie bessere Erfahrungen bei der Personalsuche für Standorte auf dem „flachen Land“ gemacht oder kommen für Sie eh nur Standorte in städtischen Ballungsräumen in Frage?

Wir freuen uns auf Ihre Anmerkungen, Fragen und Ihr Expertenwissen im CCV Forum der Gruppe Call Center Club bei Xing!

 

Uwe Selbmann, Geschäftsführender Gesellschafter von ClientSolutionsUwe Selbmann gründete 2008 mit Partnern ClientSolutions, Management-und Organisationsberatung für Strategie bis Operations im Kunden-management; verantwortet Strategie, Personal und Finanzen und deckt in seinen Beratungsschwerpunkten insbesondere die Strategie-entwicklung im CRM, Customer Service, Sourcing-Management und Qualitäts- und Performanz-Management ab. Selbmann hat über 20 Jahre Berufs- und Führungserfahrung, davon mehr als 12 Jahre im Telemarketing / Callcenter Business und kennt alle Ebenen aus eigener Erfahrung: Aufbau, operative Leitung,  Beratung und das Umfeld der nationalen wie internationalen Dienstleister. Er ist langjähriger Fachbeirat, Referent, Dozent in der deutschsprachigen Callcenter Branche. Seine bisherigen beruflichen Stationen waren AEG/Electrolux, Prisma Unternehmensberatung, SiTEL und die DDB Group Germany.

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