Constantin Jacob, Leiter Recht & Regulierung und Verbandsjustitiar im Customer Service & Call Center Verband Deutschland e. V. (CCV)
Am 23. Februar 2025 waren die Wahlberechtigten in Deutschland aufgerufen, den 21. Deutschen Bundestag zu wählen und damit die politischen Ziele für die nächsten Jahre mitzubestimmen. Vorausgegangen war der Bruch der Ampelkoalition am 6. November 2024 sowie die darauffolgende gescheiterte Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 16. Dezember 2024. Das offizielle Endergebnis können Sie auf der Seite des Bundeswahlleiters abrufen.
Mit der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestags am 25. März 2025 endete die Wahlperiode des bisherigen 20. Deutschen Bundestags. Mit dem Zusammentreten des 21. Bundestags endete auch die Amtszeit der Bundesregierung (Kabinett Scholz), die jedoch geschäftsführend im Amt bleibt, bis der Bundestag einen Bundeskanzler gewählt hat. Unmittelbar zuvor – am 18. März, also eine Woche vor der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestags – beschloss der 20. Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen eine Reform der Schuldenbremse sowie ein Sondervermögen für Infrastruktur.
Die ersten Gespräche zwischen CDU, CSU und SPD zu einer möglichen Regierungsbildung begannen am 28. Februar 2025 in neunköpfigen Sondierungsteams mit Vorverhandlungen über die Haushaltslage. Am 8. März 2025 schlossen die Vertreter von CDU, CSU und SPD die Sondierungsgespräche ab und legten ein 11-seitiges Sondierungspapier vor. Nachdem die Vorstände der drei Parteien der Aufnahme von Koalitionsgesprächen zugestimmt hatten, begannen am 13. März die Verhandlungen in insgesamt 16 Arbeitsgruppen, denen jeweils sieben Mitglieder der SPD, sechs der CDU und drei der CSU angehören. Insgesamt waren 256 Personen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt.
Ende März gelangten erste Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppen von CDU, CSU und SPD an die Öffentlichkeit. Diese sind hier abrufbar. Am 9 April gaben die drei beteiligten Parteien bekannt, dass sie sich auf einen Koalitionsvertrag (PDF) geeinigt haben (CCV-Pressemitteilung). Die folgenden Informationen werden ggf. in Reaktion auf aktuelle Entwicklungen ergänzt.
9. April 2025
Für unsere Branche wesentliche Inhalte des vereinbarten Koalitionsvertrags (PDF) sind u. a.:
Bestätigungslösung:
Union und SPD planen die Einführung einer allgemeinen Bestätigungslösung: „Wir schützen Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend und führen deshalb eine allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnisse ein.“ (Seite 87)
Mindestlohn:
„An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ (Seite 18)
Tariftreue:
„Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung. Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben. Deswegen werden wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen. Das Bundestariftreuegesetz gilt für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Startups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen werden wir auf ein absolutes Minimum begrenzen.“ (Seite 18)
Arbeitszeit:
„Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen.“ (Seite 18)
Datenschutz:
„Wir reformieren die Datenschutzaufsicht und bündeln sie beim Bundesdatenschutzbeauftragten. Wir wollen unter Berücksichtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und im Rahmen des europäischen Rechts Lösungen entwickeln, um im Datenschutzrecht aufwändige Einwilligungslösungen für eine komfortablere Nutzung staatlicher Serviceleistungen durch unbürokratische Widerspruchslösungen zu ersetzen. Die Datenschutzkonferenz (DSK) verankern wir im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), um gemeinsame Standards zu erarbeiten. Wir nutzen alle vorhandenen Spielräume der DSGVO, um beim Datenschutz für Kohärenz, einheitliche Auslegungen und Vereinfachungen für kleine und mittlere Unternehmen, Beschäftigte und das Ehrenamt zu sorgen. Auf europäischer Ebene wollen wir erreichen, dass nicht-kommerzielle Tätigkeiten (zum Beispiel in Vereinen), kleine und mittelständische Unternehmen und risikoarme Datenverarbeitungen (zum Beispiel Kundenlisten von Handwerkern) vom Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung ausgenommen werden. Im Interesse der Wirtschaft streben wir eine Bündelung der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten an. Sie soll dann Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit sein.“ (Seite 65)
Schriftform:
„Den Abbau von Schriftformerfordernissen, insbesondere im Arbeitsrecht (zum Beispiel bei Befristungen), werden wir umsetzen.“ (Seite 11)
Künstliche Intelligenz:
„Wir stärken den Transfer in neue Geschäftsmodelle und konkrete Anwendungsfelder, zum Beispiel industrielle Künstliche Intelligenz, Automobil und Gesundheit sowie soziale Innovationen. Wir wirken darauf hin, dass im Zuge der technischen und rechtlichen Spezifizierungen des AI-Acts Belastungen für die Wirtschaft abgebaut werden. Wir stellen sicher, dass die nationale Umsetzung des AI-Acts innovationsfreundlich und bürokratiearm erfolgt und die Marktaufsicht nicht zersplittert wird. Angesichts der dynamischen Entwicklung in diesem Bereich werden wir die europäische Digitalrechtsakte entsprechend anpassen. Unternehmen stellen wir eine zentrale Servicestelle zur Verfügung. Wir stellen eine angemessene Beteiligung der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften sicher. Bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien unterstützen wir die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit sowie AI Safety. Wir prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Form Haftungsregeln mit Blick auf Künstliche Intelligenz auf europäischer Ebene angepasst werden müssen.“ (Seite 70)
Unternehmensteuer:
„Wir werden einen Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 einführen. Wir werden die Körperschaftssteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt senken, beginnend mit dem 01.01.2028. Beide Entscheidungen werden in einem Gesetzgebungsverfahren gemeinsam abgeschlossen. Die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland unterliegt der Einkommensteuer. Um eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ermöglichen, werden wir insbesondere das Optionsmodell nach § 1a Körperschaftsteuergesetz (KStG) und die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Einkommensteuergesetz (EstG) wesentlich verbessern. Wir prüfen, ob ab dem Jahr 2027 die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen können.“ (Seite 45)
Digitalministerium:
Es wird ein CDU-geführtes Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung errichtet. (Seite 143)
Gute Gesetzgebung:
„Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen. Gesetze, die ihren Zweck nicht oder nicht mehr erfüllen, werden wir streichen. Gute Gesetzgebung ist gründlich, integrativ und transparent. Unser Recht muss verständlich und digitaltauglich sein. Für uns gilt: Erst der Inhalt, dann die Paragrafen. Bereits in der Frühphase von Gesetzgebungsverfahren werden wir Praxischecks durchführen und Betroffene sowie Vollzugsexperten und -expertinnen aus Bund, Ländern und Kommunen mit angemessenen Fristen (in der Regel vier Wochen) beteiligen.“ (Seite 58)
27. März 2025
In den Ende März veröffentlichten Zwischenergebnissen waren für unsere Branche folgende Inhalte besonders relevant:
AG 1 Inneres, Recht, Migration
https://fragdenstaat.de/dokumente/258013-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-1-innen-recht-migration-und-integration
Bestätigungslösung:
„Wir schützen Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend und führen deshalb eine allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnisse ein.“
Status: Einigkeit
AG 2 Wirtschaft, Industrie, Tourismus
https://fragdenstaat.de/dokumente/258023-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-2-wirtschaft-industrie-und-tourismus
Datenschutzbeauftragter:
Union: „Konkret werden wir die Verpflichtung zur Bestellung von Betriebsbeauftragten für Unternehmen unter 250 Mitarbeitern abschaffen, insbesondere den Datenschutzbeauftragten, den Abfallbeauftragten, Abscheidesachkundige, Asbestsachkundigen, betriebliche Datenschutzbeauftragten, Emissionsbeauftragten, Entsorgungsverantwortlichen, Brandschutzbeauftragte, Gesundheitsschutzbeauftragte, Gefahrenschutzbeauftragte abschaffen.“
Schriftformerfordernis Arbeitsrecht:
Einigkeit: „Den Abbau von Schriftformerfordernissen insbesondere im Arbeitsrecht (z.B. bei Befristungen) werden wir umsetzen.“
AG 3 Digitales
https://fragdenstaat.de/dokumente/258016-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-3-digitales
Künstliche Intelligenz:
Einigkeit: „Wir stärken den Transfer in neue Geschäftsmodelle und konkrete Anwendungsfelder, z.B. industrielle KI, Automobil und Gesundheit, sowie soziale Innovationen.“ Union: „Der AI Act soll überarbeitet, mindestens aber im Zuge der technischen und rechtlichen Spezifizierungen weiterentwickelt werden, Belastungen für die Wirtschaft bauen wir ab.“ Einigkeit: „Wir stellen sicher, dass die nationale Umsetzung des AI Acts innovationsfreundlich und bürokratiearm erfolgt und die Marktaufsicht nicht zersplittert wird. Unternehmen stellen wir eine zentrale Servicestelle zur Verfügung.“ … SPD: „Wir setzen uns für eine KI-Haftungsrichtlinie auf europäischer Ebene ein.“
Offen: „Die Federführung und die Aufsicht über die Wirtschaft bündeln wir bei der BfDI. Wir benennen die BfDI in ‚Beauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit‘ um.“
AG 5 Arbeit und Soziales
https://fragdenstaat.de/dokumente/258027-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-5-arbeit-und-soziales
Mindestlohn 15 Euro:
Einigkeit: „Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn. Die Entwicklung des Mindestlohns muss einen Beitrag zu stärkerer Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland leisten. An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren.“ SPD: „Dies stellen wir gesetzlich klar.“
Einigkeit: „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar …“ SPD: „… und soll umgesetzt werden. Das MiLoG reformieren wir dahingehend, dass Beschlüsse künftig im Konsens getroffen werden müssen.“
Tariftreue:
Einigkeit: „Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung. Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben. Deswegen werden wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen.“ Union: „Das Tariftreuegesetz kommt erst zur Anwendung ab einem Auftragsvolumen über 250.000 Euro und bezieht sich ausschließlich auf das tarifliche Stundengrundentgelt eines einschlägigen und repräsentativen Tarifvertrags. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen werden wir auf ein absolutes Minimum begrenzen. Für Existenzgründer in den ersten beiden Jahren nach Gründung werden wir Ausnahmen schaffen.“
Arbeitszeit:
Einigkeit: „Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ SPD: „… und nach einem Jahr evaluieren. Voraussetzung ist eine repräsentative tarifvertragliche Regelung oder betriebliche Vereinbarungen auf der Grundlage eines Tarifvertrages sowie eine gesetzliche Regelung der elektronischen Arbeitszeiterfassung …“ Union: „… Wir werden die Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln, wobei das System zur Erfassung frei wählbar und die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf Dritte delegierbar sein wird. Eine verpflichtende taggenaue Arbeitszeiterfassung wird nicht vorgeschrieben. Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung uneingeschränkt möglich.“
AG 9 Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz
https://fragdenstaat.de/dokumente/258024-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-9-buerokratierueckbau-staatsmodernisierung-moderne-justiz
Gute Gesetzgebung:
Einigkeit: „Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen. Gesetze, die ihren Zweck nicht oder nicht mehr erfüllen, werden wir streichen. Gute Gesetzgebung ist gründlich, integrativ und transparent. Unser Recht muss verständlich und digitaltauglich sein.“
AG 16 Haushalt, Steuern, Finanzen
https://fragdenstaat.de/dokumente/258026-koalitionsverhandlungen-cdu-csu-spd-ag-16-haushalt-steuern-finanzen
Zentrale Maßnahmen:
Union: „Wir werden Deutschland als Investitionsstandort im internationalen Wettbewerb attraktiver machen, indem wir die Unternehmensbesteuerung absenken und umfassend modernisieren. Dazu werden wir insb. die Steuerbelastung auf im Unternehmen einbehaltene Gewinne in vier Schritten, beginnend 2026, auf 25 Prozent zurückführen, indem wir die Körperschaftsteuer auf 10 % reduzieren …“ … SPD: „… Daran anschließend senken wir zum 1. Januar 2029 die Körperschaftsteuer um einen Punkt.“
Hinweis: Aufgrund der Aktualität wird diese Informationsseite fortlaufend aktualisiert.
Stand: 9. April 2025