Constantin Jacob, Leiter Recht & Regulierung und Verbandsjustitiar im Customer Service & Call Center Verband Deutschland e. V. (CCV)
In der Call- und Contactcenter-Branche stellt das gesprochene Wort des Mitarbeitenden die zu erbringende Dienstleistung dar. Diese muss nach gängigen Qualitätsstandards gemessen und ohne Verletzung von Datenschutzinteressen optimiert werden können. In den meisten Wirtschaftszweigen ist es im Sinne des Verbraucherschutzes üblich, die Leistungen der Kolleginnen und Kollegen zu überprüfen. Anders als z. B. bei Mechatronikern oder Büroangestellten ist die zu erbringende Dienstleistung von Callcenter-Agenten, das gesprochene Wort, jedoch rechtlich geschützt (vgl. § 201 StGB). Mangels einer konkreten, rechtfertigenden Rechtsgrundlage besteht im Bereich des Monitorings in Call- und Contactcentern Rechtsunsicherheit.
Art. 88 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) i. V. m. Art. 6 Abs. 2 DSGVO erlaubt den EU-Mitgliedstaaten, besondere Regeln für den Beschäftigtendatenschutz zu erlassen (sogenannte Öffnungsklausel). Die Bundesrepublik Deutschland machte hiervon im Rahmen der Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an die DSGVO keinen entscheidenden Gebrauch. Obwohl der deutsche Gesetzgeber durch die DSGVO die Möglichkeit hat, branchenspezifische Regelungen einzuführen, ergaben sich durch die DSGVO und die BDSG-Reform bislang an der unsicheren Rechtslage für Call- und Contactcenter keine Änderungen.
Die Große Koalition thematisierte in ihrem Koalitionsvertrag (Seite 129) den Beschäftigtendatenschutz. Unter Nutzung der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO sollte ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz erlassen werden, welches die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten schützt und Rechtssicherheit für Arbeitgeber schafft. In einer kleinen Anfrage der FDP-Fraktion vom 23. Mai 2018 nach dem Stand eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes, erwiderte die Bundesregierung am 11. Juni 2018, sie werde eine Prüfung vornehmen, Inhalte und Zeitpläne stünden jedoch hierzu noch nicht fest. Ähnliche Verlautbarungen erhielt der CCV nach Rückfrage vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Zuletzt berief das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der zweiten Jahreshälfte 2020 einen Expertenbeirat zum Beschäftigtendatenschutz ein. Das Gremium sollte zu der Frage Stellung nehmen, ob ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz sinnvoll ist. Der CCV bot im Vorfeld seine Mitarbeit in diesem Gremium an. Bis zum Ende der Großen Koalition im Herbst 2021 wurden keine konkretisierenden Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz getroffen. Im Januar 2022 übergab schließlich der interdisziplinäre Beirat zum Beschäftigtendatenschutz seine Thesen und Empfehlungen zur Fortentwicklung des Beschäftigtendatenschutzes an den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. Auch die „Ampel“-Regierung formulierte in ihrem Koalitionsvertrag (Seite 17) im November 2021 Pläne zur Einführung von Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes. Im vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, vorgelegten 31. Tätigkeitsbericht (März 2023) empfiehlt dieser der Bundesregierung unter anderem, ein Beschäftigtendatenschutzgesetz zu erlassen. Zuvor forderte bereits die Datenschutzkonferenz im April 2022 solch ein Gesetz. Aktuell (Stand April 2023) erarbeiten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium des Innern und für Heimat gemeinsam Vorschläge für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz – der CCV begleitet das Thema gewohnt engagiert und erstellte eine erste Stellungnahme. Am 8. Oktober 2024 tauschten sich CCV-Präsident Dirk Egelseer und CCV-Justiziar Constantin Jacob ausführlich mit Vertretern des federführenden BMAS, das aktuell einen Entwurf erarbeitet, aus und erläuterten die besonderen Herausforderungen in unserer Branche.
Bereits im Dezember 2010 legte die damalige Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP einen Gesetzentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drs. 17/4230) vor, der durch den CCV aktiv begleitet und in der Fassung des Änderungsantrags von CDU, CSU und FDP vom 10. Januar 2013 grundsätzlich begrüßt wurde. In § 32i des BDSG-Entwurfs war ein ausdrückliches Aufzeichnungs- und Mithörrecht des Arbeitgebers vorgesehen. Leider trat diese Vorschrift nicht in Kraft, weil das Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Verhandlungen zur DSGVO und der 2013 anstehenden Bundestagswahl zurückgestellt wurde.
Der CCV setzt sich seit Jahren für Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes zugunsten unserer Branche ein. So fehlen der Rechtssicherheit dienende, branchenspezifische Normen. Diese sind zur Wahrung von Qualitätsstandards und des Verbraucherschutzes zwingend notwendig. Im Gegensatz zu beinahe allen anderen Wirtschaftszweigen werden Call- und Contactcenter in der Frage der Qualitätssicherung beschränkt – obwohl sich die gesamte Branche unentwegt Vorwürfen ausgesetzt sieht, am Telefon unsaubere bzw. unseriöse Dienstleistungen zu erbringen. Hier müssen der Branche auch legale, rechtssichere, bundeseinheitliche Möglichkeiten gegeben werden, denn nichts beeinflusst die Qualität so sehr positiv, wie eine durchgängige und individuelle Qualitätssicherung.
An dieser Stelle vermitteln wir Ihnen einen Überblick über die politische Entwicklung sowie die CCV-Interessenvertretung zum Thema Beschäftigtendatenschutz und geben einen Einblick in die Rechtslage beim Monitoring im Call- und Contactcenter sowie bei der Nutzung von Pseudonymen im Kundenservice (siehe auch unten im Bereich Wissen).
Diese Fragestellung sowie weitere Themen werden auch ausführlich in der am 5. April 2022 veröffentlichten CCV-Publikation “Datenschutz- und Wettbewerbsrecht im Kundenservice” erörtert.
Stand: 25.04.2023