Constantin Jacob, Leiter Recht & Regulierung und Verbandsjustitiar im Customer Service & Call Center Verband Deutschland e. V. (CCV)
Am 26. September 2021 sind die Wahlberechtigten in Deutschland aufgerufen, den 20. Deutschen Bundestag zu wählen und damit die politischen Ziele für die nächsten Jahre mitzubestimmen. Hierzu hat der CCV wie gewohnt Wahlprüfsteine erarbeitet und diese mit der Bitte um Beantwortung an alle Parteien, welche den aktuellen Umfragen zufolge realistische Aussichten auf den Einzug in den Bundestag haben, versendet. Die Wahlprüfsteine wurden vorab im CCV-Arbeitskreis Recht & Regulierung abgestimmt. Ebenso waren die CCV-Mitglieder eingeladen, Themen vorzuschlagen. Der Umfang war in diesem Jahr auf acht Fragen à 300 Zeichen begrenzt, da die meisten Bundestagsparteien Plattformen für die Wahlprüfsteine anboten und die Fragen entsprechend limitierten.
Folgende Fragen wurden am 19. Juli 2021 CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke und AfD überreicht:
1) Beschäftigtendatenschutz
Es fehlt an einem Beschäftigtendatenschutzgesetz. In der Call- und Contactcenter-Branche ist das Wort die Dienstleistung. Diese muss ohne Verletzung des Datenschutzes im Sinne des Verbrauchers optimiert werden dürfen. Befürworten Sie solch ein Gesetz und spezifische Normen für unsere Branche?
2) Sonn- und Feiertagsarbeit
Das BVerwG verbot 2014 grds. die Callcenter-Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen in Hessen. In den übrigen Bundesländern ist sie möglich, jedoch herrscht Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung. Befürworten Sie eine bundeseinheitliche Ausnahme von diesem Verbot für unsere Branche?
3) Bestätigungslösung/Textformerfordernis
2013 wurde ein Textformerfordernis für Gewinnspieleintragsdienste verabschiedet. Aktuell wurde dies für Energielieferungsverträge eingeführt, was wir im Vorfeld ablehnten. Planen Sie eine Ausweitung des Textformerfordernisses/der Bestätigungslösung auf weitere Vertragsarten?
4) Weitere Regulierung der Call- und Contactcenter-Wirtschaft
Bei kaum einer anderen Branche standen in den vergangenen Jahren ähnlich viele Regulierungen auf der Agenda. Der Call- und Contactcenter-Branche droht die Gefahr einer Überregulierung. Welche regulatorischen Pläne verfolgen Sie, die auch uns in hohem Maße betreffen (z. B. im UWG, BGB, TKG, BDSG)?
5) Homeofficepflicht
Soweit keine Gründe dagegensprachen, mussten Unternehmen in der Pandemie Homeoffice ermöglichen. Planen Sie unabhängig von der Pandemie ein Recht auf Homeoffice bzw. eine Angebotspflicht; wie soll dies ausgestaltet sein, wie sollen Telearbeitsplatz und mobiles Arbeiten voneinander abgegrenzt werden?
6) Mindestlohn
2014 wurde der Mindestlohn eingeführt. Der CCV war im Vorfeld Dialogpartner der Politik. Die Mehrheit der CCV-Mitglieder votierte zuvor für die Einführung. Bei der Höhe ist ein Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen wichtig. Welchen Mindestlohn hält Ihre Partei für angemessen?
7) Digitalministerium und digitale Infrastruktur
Der Ausbau der digitalen Infrastruktur geht zu langsam voran. Dies zeigte auch die Pandemie. Um dem Thema mehr Gewicht zu verleihen, spricht sich der CCV für ein eigenständiges Digitalministerium aus. Planen Sie dessen Einrichtung und wie wollen Sie den notwendigen Digitalausbau vorantreiben?
8) Hilfsangebote von Verbänden in Krisenzeiten
2020 und 2021 boten wir mit unserem Netzwerk Bundesministerien, Landesministerien, Behörden sowie ärztlichen Vereinigungen unsere Unterstützung in der Pandemie an, z. B. bzgl. der Einrichtung von Hotlines. Die Resonanz war gering. Begrüßen Sie das Engagement und würden Sie es in Anspruch nehmen?
Die Antworten werden wir sie an dieser Stelle sukzessive veröffentlichen.
Als erste Partei übermittelte uns Bündnis 90/Die Grünen am 18. August 2021 ihre Antworten. Am 26. August 2021 überreichte uns DIE LINKE. ihre Antworten. Die AfD äußerte sich am 7. September 2021. CDU/CSU übergaben dem CCV ihren Beitrag am 9. September 2021. Am 15. September 2021 sendete uns die FDP ihre Äußerungen. Die SPD überreichte uns schließlich am 20. September 2021 ihre Antworten.
Im Bereich Downloads weiter unten sind die Antworten – geordnet nach dem Eingangsdatum – ebenso abrufbar.
In der immerwährenden politischen Diskussion sind Forderungen nach weiteren Einschränkungen zu beobachten, etwa die Einführung der Bestätigungslösung für langfristige Verträge in allen Branchen, die Begrenzung der Vertragslaufzeit auf maximal zwölf Monate, ein 14-tägiges Widerrufsrecht für alle langfristigen Verträge (also auch für Verträge, die vor Ort im Ladengeschäft abgeschlossen werden) sowie ein politisch motivierter Mindestlohn ohne Hinzuziehung der Sozialpartner im Rahmen der Mindestlohnkommission. Sprich: Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert und weitere Änderungen stehen nach der Bundestagswahl 2021 bevor. Die Branche braucht darum einen Branchenverband mit einer starken Stimme, zu dem sich der CCV in den vergangenen Jahren entwickelte.
Koalitionsvertrag:
Am 24. November 2021 stellten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag vor. Dieser enthält mehrere für die Customer Service- und Callcenter-Wirtschaft bedeutsame Übereinkünfte, welche wir in einer Pressemitteilung kritisierten. So äußern sich die Koalitionäre dahingehend, dass sie eine allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Verträge einführen möchten (derzeit gelten ein Textformerfordernis bzw. eine Bestätigungslösung – unabhängig vom Vertriebskanal – für Gewinnspiele [§ 675 Abs. 3 BGB] sowie im Energiesektor [§ 41b Abs. 1 EnWG] sowie ab 1. Dezember 2021 im Geltungsbereich des TKG [§ 54 Abs. 3 TKG]). Ebenso sieht der CCV die geplanten Vertragslaufzeiten von Abonnementverträgen und den politisch motivierten Mindestlohn kritisch. Grundsätzlich begrüßen wir hingegen die Pläne zur Einführung von Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes. Weitere Pläne von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP betreffen unter anderem die Digitalisierung, die Arbeitszeitflexibilität sowie einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice (wobei es Anfang des Jahres Äußerungen von Bundesarbeitsminister Heil gab, nach denen er nicht nur einen Erörterungsanspruch möchte, sondern gar einen Rechtsanspruch, was weit über den Koalitionsvertrag hinausginge).
Hinsichtlich der CCV-Verbandspositionen bieten CCV-Homepage sowie das CCV-Grundsatzprogramm einen guten Überblick.